Zeit und Raum – auch in Corona-Zeiten

Viele Einrichtungen müssen in Corona-Zeiten schließen. Doch das Team des FamilienZeitRaums in der Großen Johannisstraße ist weiterhin aktiv. Im Herzen der Neustadt bietet das offene Angebot des Christlichen Netzwerks, zu dem die Senioren-Einrichtungen des Sozialwerks, die freikirchliche Ecclesia-Gemeinde und der Kindergarten „Kinderinsel-Sonnenschein“ gehören, eine Anlaufstelle für Menschen, die Kontakt und Hilfe brauchen.

Aktuell bietet der FamilienZeitRaum einen Corona-Mittagstisch an. Nachdem der Indoor-Spielplatz aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen bisher noch nicht öffnen konnte, wird von einem engagierten Team ein schmackhafter und gesunder Mittagstisch zubereitet und ausgegeben. Geflüchtete Menschen, Senioren aus der Nachbarschaft und aus dem Service Wohnen im gleichen Wohnkomplex sind nur einige der Menschen, die das Angebot wahrnehmen. Die beiden geflüchteten iranischen Küchen-Mitarbeiter bereichern das Angebot mit orientalischen Gewürzen und wohlschmeckenden Rezept-Ideen. „Das Essen schmeckt immer sehr gut“, schwärmt Frau Ilona Mecklenborg, die sich mehrmals in der Woche ihr Mittagessen hier abholt. Dass die beiden iranischen Männer von ihren deutschen Kolleginnen gleich noch in der deutschen Sprache fit gemacht werden, ist ein schöner Nebeneffekt. Das anfänglich von der Aktion Mensch finanzierte Angebot wird inzwischen anteilig mit Unterstützung aus Geldern der Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport fortgeführt.

Das Angebot ist aber noch viel umfangreicher. Auf Anfrage gehen die Mitarbeiter*innen für Senioren und andere hilfsbedürftige Nachbar*innen einkaufen, wenn dies für sie zu beschwerlich oder gefährlich erscheint. Im wöchentlich stattfindenden Sprachcafé werden neben der deutschen Sprache auch freundschaftliche Beziehungen gepflegt. Wer Hilfe im Kontakt mit Behörden oder in persönlichen Krisen braucht, findet bei den Verantwortlichen des Projektes, Piet Apel und Rosi Stöver, Hilfe. Die Atmosphäre der Annahme und Hilfsbereitschaft ist für jede*n Besucher*in sofort spürbar.

Der FamilienZeitRaum ist in der Großen Johannisstraße 141-147 in der Bremer Neustadt zu finden. Für Informationen stehen Rosi Stöver und Piet Apel unter der Telefonnummer 0421/16 33 93-13 zur Verfügung.

Kind sein in Corona-Zeiten

Wie geht es Kindern und Jugendlichen in Corona-Zeiten? Erstaunlich gut. Als der Lockdown kam, wurde sorgsam geprüft, welchen Familien vorübergehend die Rückkehr ihrer Kinder nach Hause zugetraut werden konnte. Die anderen wuchsen noch enger zusammen zu einem Haushalt und arrangierten sich erstaunlich gut mit der Situation und miteinander. Plötzlich spielten auch ältere und jüngere Kinder miteinander, weil man auf sich gestellt und aufeinander angewiesen war – und weil es wenig Alternativen gab. Man entdeckte sich ganz neu und entwickelte kreative Ideen. So wurde gebastelt und gebaut, viel draußen gespielt und miteinander getobt. Der erwartete „Lagerkoller“ blieb lange Zeit aus. Dann, irgendwann, drohte die Stimmung zu kippen – und schon hielten die ersten Lockerungen Einzug. Eltern durften endlich wieder ihre Kinder besuchen, wenn zunächst auch nur für eine Stunde pro Woche mit Maske auf dem Außengelände. Die Kinder wurden ständig zur Vorsicht ermahnt und hielten sich auch daran, da sie die kostbare Freiheit nicht erneut aufs Spiel setzen wollten. „Die Kinder und Jugendlichen haben sich echt tapfer geschlagen“, findet Kerstin Seidler, pädagogische Fachleitung des Kinder- und Jugendbereiches. „Und auch den Mitarbeitenden gilt mein tiefer Respekt für ihren grandiosen Einsatz in dieser herausfordernden Zeit.“ Lediglich einen Corona-Fall gab es in der Mitarbeiterschaft in einem der sechs Kinderhäuser. Die Mitarbeitenden wurden sofort in Quarantäne geschickt. Da gab es schon Verunsicherung und Ängste, als die ausgefallenden Mitarbeitenden ersetzt werden mussten. Schließlich wurden die verbliebenen Kinder vom benachbarten Haus, zu dem ohnehin enger Kontakt besteht, aufgenommen. Die Teams kamen in dieser Zeit in jeder Beziehung an die Grenzen ihrer Belastung – nervlich, körperlich und kollegial – und sind froh über jedes Stück Normalität, das nun wieder eingekehrt ist. (Dorothea Salzmann-Schimkus)

Herausforderndes Lernen

Plötzlich wurde zu Hause gelernt, die Schulen blieben geschlossen. Das galt auch für die Kinder und Jugendlichen der sechs Kinderhäuser des Sozialwerks. Wo möglich, zogen die Kinder in Absprache mit dem Jugendamt für den Zeitraum des ersten Lockdowns nach Hause zu ihren Herkunftsfamilien. Die anderen rückten enger zusammen und wurden noch mehr als sonst „ein Haushalt“. Doch das Lernen musste auch in dieser Zeit weitergehen. Der in der Regel mit einer Person besetzte Frühdienst in den Kinderhäusern ist normalerweise mit Besorgungen, Elterngesprächen und Bürotätigkeiten beschäftigt, während die Kinder und Jugendlichen in der Schule sind. Diese Arbeiten wurden auf ein Minimum heruntergefahren. Nun sahen sich die Mitarbeitenden einer ganz neuen Herausforderung gegenüber: Bis zu neun junge Menschen unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Jahrgangsstufen und unterschiedlicher Schulen, mussten in einem Raum von einer Person beim Home-Schooling betreut werden. Der Lernstoff musste bereitgestellt und erklärt werden, Fragen mussten beantwortet, Hilfestellung gegeben werden. Da kamen Kinder und Betreuungsteam schon einmal an ihre Grenzen. Eine straffe Struktur der Vormittage in Schulstunden und Pausen half der Lerngemeinschaft, diese Zeit zu meistern. Da es in jeder der stationären Einrichtungen nur einen Computer gibt, konnten nicht alle von den Schulen angesetzten Video-Konferenzen wahrgenommen werden, sondern mussten möglichst gerecht zugeteilt werden. So kamen die ohnehin in vieler Hinsicht benachteiligten Kinder und Jugendlichen nicht in den Genuss eines digitalen Zugewinns, den andere Altersgenossen aus dieser Zeit mitnehmen konnten. Die unterschiedlichen Kommunikationswege der Schulen stellten für alle Beteiligten eine zusätzliche Herausforderung dar: Die einen Schulen nutzten Lernplattformen, andere Handy-Messenger oder den E-Mail-Verkehr. Oder Lernstoff musste an der Schule abgeholt werden. Das Betreuungsteam fühlte sich oft bis an ihre Grenzen und darüber hinaus belastet. Auch eine Unterstützung durch den Einsatz von Mitarbeitenden aus anderen Einrichtungen war stark eingeschränkt, um die Verbreitung des Corona-Virus nicht weiter zu begünstigen. Es war für alle eine harte Zeit. „Die Kinder und Jugendlichen haben das alles in allem sehr gut mitgemacht und waren sehr tapfer“, so die pädagogische Fachleitung des Kinder- und Jugendbereiches, Kerstin Seidler. „Sowohl den Mitarbeitenden aus unseren Einrichtungen wie auch den Kindern und Jugendlichen gilt mein tiefer Respekt für den langen Atem und das Engagement in dieser schweren Zeit.“  (Dorothea Salzmann-Schimkus)

Flügge werden

Ju-Con: Ambulant betreutes WG-Jugendwohnen

Der Kinder-, Jugend- und Familien-Bereich des Sozialwerks bekommt Zuwachs. Im Laufe des letzten Quartals 2020 wird es die erste Jugend-WG geben. Jugendliche, die „flügge“ geworden sind und die sich nach mehr Selbstständigkeit sehnen und testen wollen, ob sie schon allein leben können, haben die Möglichkeit, in das ehemalige UmA-Haus an der Vegesacker Heerstraße einzuziehen; sie werden dort rund um die Uhr betreut. Die hier bisher beheimateten unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten sind inzwischen in der Lage, allein zu leben. Die ambulante Betreuung der jungen Leute wird durch Mitarbeitende des Sozialwerks fortgeführt. Nun können fünf Jugendliche im Alter zwischen 16 und 21 Jahren in das 2017 errichtete freistehende Haus einziehen, das auf den ersten Blick wie ein Einfamilienhaus anmutet. Ein weiteres, fußläufig erreichbares Appartement wird die WG ergänzen. Das Ganze nennt sich Ju-Com. Es schließt die Betreuungslücke zwischen den vollstationären Einrichtungen und den Angeboten Ju-Törn (ambulant betreutes Jugendwohnen) und HomeRun (ambulante Nachbetreuung). Die Jugendlichen haben ein eigenes Zimmer, Bad und Küche werden geteilt. So ist für Geselligkeit und gemeinsame Mahlzeiten gesorgt. Es gibt außerdem einen Hauswirtschaftsraum mit Waschmaschine und Trockner. Für das WG-Leben qualifiziert sich, wer aus den Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen des Sozial-werks „herausgewachsen“ ist und sich in Richtung Selbstständigkeit weiterentwickeln möchte. Alle WG-Mitglieder sind in Schul- oder Berufsausbildung eingebunden und werden ihre Alltagskompetenzen trainieren. Auch externe Jugendliche können in die Wohngemeinschaft aufgenommen werden. Drei Personen bilden das neue Betreuungsteam. Der neue Arbeitsbereich bietet für Jugendliche und dem Betreuerteam die Chance der Mitgestaltung, da es etwas Vergleichbares bisher im Sozialwerk noch nicht gab. „Wir freuen uns über das neue Angebot“, so Markus Wruck, Leiter des Kinder- und Jugendhilfebereiches, „und sind gespannt auf die neuen Erfahrungen, die wir in diesem Bereich machen werden.“