ArBiS Bremen Pfeifenfest

Mit einer Pfeife geehrt

Sie gehen auf Wanderschaft – um die Welt zu sehen, um zu lernen und um „den Meister zu machen“. In vielen Handwerksberufen gibt es die Wanderjahre eines Gesellen, doch im Zimmerhandwerk sind sie am bekanntesten. Die jungen Männer, mit einer auffälligen „Kluft“ gekleidet, über der Schulter einen Stab, den Stenz, mit einem Bündel, dem Charlottenburger, daran, in dem all ihr Hab und Gut verstaut ist, wandern von Ort zu Ort, weltweit, um durch ehrliches Handwerk ihr tägliches Brot und eine Unterkunft zu verdienen. Seit vielen Generationen gibt es diese Tradition. Mit ihren Bräuchen und Regeln des „Tippelns“ muten an wie aus einer anderen, längst vergangenen Zeit.

Hans arbeitet seit Sommer 2022 in der Holzwerkstatt der ArBiS. In einer feierlichen Zeremonie wurden er und elf seiner Mitbrüder des Roland-Schachtes – so heißt die Bruderschaft, der er angehört – mit der Pfeife geehrt. Zimmerleute, die die drei Wanderjahre absolviert und weitere drei Jahre einheimisch gewesen (also nach Hause zurückgekehrt sind), sind dafür qualifiziert, eine Pfeife zu erhalten. Aus diesem Anlass kamen am 1. April 2023 84 Rolandsbrüder auf seinen Hof im Blockland und es gab ein großes Fest mit insgesamt 120 Menschen. „Das Fest war sehr emotional. Es ist eine große Ehre, die Pfeife zu bekommen“, erzählt Hans. „Das Wiedersehen mit den Rolandsbrüdern und die gemeinsame Feier bei mir zu Hause – das war mega schön.“

Hans hat seine Ausbildung bei der Firma Cordes in Walle gemacht. Anschließend ging er zum Zivildienst nach Cuxhaven. Er verrichtete dort Hausmeistertätigkeiten und beherbergte auch einmal einen wandernden Gesellen. Es waren wohl diese beiden Aspekte – zum ersten Mal von zu Hause weg und den wandernden Gesellen zu erleben – , die ihn auf den Gedanken brachten, selbst auf Wanderschaft zu gehen. Wer auf Wanderschaft gehen will, so erfuhr er, muss schuldenfrei und nicht vorbestraft sein, er sollte unter 27 Jahre alt sein und einen Gesellenbrief vorweisen können, muss ledig und kinderlos sein. Mit diesen Voraussetzungen sollte der wandernde Geselle seine Wanderschaft beginnen und beenden. Hans suchte und fand einen „Export-Gesellen“, der ihn mit sich nahm, um ihn in die Wanderschaft einzuführen. „Ich gehe aber nach Norwegen“, wandte dieser ein. Hans war es recht. Es war dann in Oslo soweit, dass seine Aspirantenzeit (Probezeit) mit dem „Ehrenwort“ endete und er „erwandert“ wurde. Das Ehrenwort ist eine feierliche Zeremonie im Beisein anderer Mitglieder der Bruderschaft, bei der der junge wandernde Geselle verspricht, nun seine drei Wanderjahre zu absolvieren.

Für die Wanderjahre gelten feste Regeln. Der Geselle trägt die Kluft seines Gewerkes und die Ehrbarkeit seiner Bruderschaft. Die Kluften unterscheiden sich nach Zugehörigkeit zu den verschiedenen Gewerken. Die Ehrbarkeit, die Krawatte, zeigt die Zugehörigkeit zur Bruderschaft. Bei Hans waren es die schwarze Hose, schwarze Weste und schwarze Jacke des Zimmermann-Handwerkes und die blaue Ehrbarkeit des Roland-Schachtes. Die Weste hat acht Knöpfe, die für acht Stunden täglicher Arbeit stehen. Die Jacke hat sechs Knöpfe als Zeichen für die Sechs-Tage-Woche. An den Ärmeln gibt es nochmals drei Knöpfe für die drei Lehrjahre an dem einen Arm und drei Knöpfe und für die drei Wanderjahre des Gesellen  am anderen Arm. Das Reisen sollte weitgehend ohne Geld geschehen. Die Gesellen reisen also zu Fuß oder per Anhalter. Handys sind auf der Reise nicht erlaubt. Kommt ein Geselle in eine Ortschaft oder Stadt, wendet er sich an den Bürgermeister und bittet mit einem wohlformulierten Gedicht um einen Stempel in sein Wanderbuch. Das Wanderbuch hat die Funktion eines Ausweises. Darin sammelt der Geselle die Arbeitszeugnisse seiner Arbeitgeber und die Stempel der Bürgermeister als Nachweis seiner Wandertätigkeit. Das Wanderbuch stellte den Gesellen von der (damals geltenden) Wehrpflicht frei. Hans erinnert sich, dass ihm beim Vorsprechen vor den Bürgermeistern Unterstützung nie verwehrt wurde. Die Rolandsbrüder gelten als ehrbare Handwerker und ihre Wanderschaft wird weitgehend gewürdigt. Unterwegs suchen die wandernden Gesellen Bäcker, Metzger oder Wirtschaften auf. Auch hier heißt es „Gott zum Gruß, werte Bäckerin, …“ Der nun folgende Vers ist entwaffnend demütig, gleichsam unterhaltsam, faszinierend und eine Legitimation, dass es sich um einen rechtschaffenen Handwerker und nicht um einen Landstreicher handelt. Nach dem so vorgetragenen Gruß wird den hungrigen Wandernden oft ein reiches Mahl serviert. Selbst bei McDonalds wurde Hans mit Nahrung versorgt.

Die Erlebnisse und Anekdoten würden mindestens ein Buch füllen. Für Hans sind die Erinnerungen, Erfahrungen und Überzeugungen, die er aus der Zeit des Wanderns mitgenommen hat, von unschätzbarem Wert. Und die Verbundenheit mit seinen Rolandsbrüdern bleibt. Seit Sommer 2022 ist Hans Mitarbeiter in der Werkstatt der ArBiS. „Die Arbeit mit den Beschäftigten macht mir viel Freude. Ich habe das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun und bringe mich mit dem, was ich kann, gern hier ein. Das Miteinander hier in der Werkstatt ist so, wie ich gern arbeiten möchte.“

Johannes Weyhausen-Brinkmann arbeitet als Schreiner in einer der ArBiS-Werkstätten.

ArBiS Pfeife

Die Pfeife ehrt  heimgekehrte Gesellen, die ihre Wanderschaft erfolgreich absolviert haben.

 

Glücksmomente

Adelheid Brüning ist langjährige Besucherin der Tagesstätte Nord und Nutzerin der Angebote für Malerei in der „Galerie“. Derzeit werden einige ihrer Acryl-Bilder in der Ausstellung „Glücksmomente“ ausgestellt. Es sind Blumen und Landschaften, die die Künstlerin auf klein- bis mittelformatigen Leinwänden malt. Sie lässt sich inspirieren von dem was sie sieht und was ihr begegnet – hier ein Zeitungsausschnitt, dort ein Urlaubseindruck oder eine Erinnerung. Die 70-jährige, gelernte Schaufensterdekorateurin malt seit über vierzig Jahren. „Malerei ist meine Leidenschaft“, bekennt sie. Ihre persönliche Geschichte ist eng verknüpft mit der offenen Einrichtung für Menschen mit psychischen Einschränkungen. Adelheid Brüning war von Anfang an Teilnehmerin der Galerie der Tagesstätte. „Der damalige Leiter der Tagesstätte hat sich von mir anstecken lassen mit der Malerei und gründete für die Tagesstätte die Galerie. Hier habe ich dann mit der Acrylmalerei begonnen.“

Für Birgit Neske, Kunsttherapeutin in der Tagesstätte Nord, hat diese Ausstellung eine besondere Bedeutung. „Für mich schließt sich hier ein Kreis“, so Birgit Neske. „Meine Arbeit in der Tagesstätte begann und endet mit einer Ausstellung.“ Die Freunde an den schönen Bildern der „Glücksmomente“-Ausstellung ist ihr anzusehen. Birgit Neske verlässt nach über zwanzig Jahren ihren Wirkungsort, den sie entscheidend geprägt und gestaltet hat. Wir sind ihr dankbar für ihren unermüdlichen Einsatz und ihre große Kreativität und wünschen ihr alles Gute für ihre Zukunft sowie weiterhin viele Glücksmomente.


Adelheid Brüning zeigt ihre Ausstellung „Glücksmomente“.


Kunsttherapeutin Birgit Neske




Impressionen der Ausstellung

 

Jürgen Rohde

Abschied und Aufbruch

Nach 32 Dienstjahren geht Jürgen Rohde am 31. August 2022 in den Ruhestand. Zu seinen Ehren fand am 26. August in Gröpelingen eine Festveranstaltung statt.

Die Abschiedsfeier stand unter dem Motto des Pilgerns. Der in seiner Freizeit mit Leidenschaft pilgernde Jürgen Rohde hatte sich sehr über die im Hause gestaltete Einladungskarte gefreut, die ein Pilgermotiv des Malers und Pilgers Christian Seebauer zeigte. „Diese Karte hat den Ausschlag gegeben, dass ich mich auf die Feier gefreut habe – vorher war es für mich halt eine Veranstaltung, die ich über mich ergehen lassen muss“, so der langjährige Mitarbeiter, Bereichsleiter und Mitglied der Geschäftsleitung.

Dr. Matthias Bonkowski, Vorstand des Sozialwerks und Geschäftsleitungs-Kollege, gab zunächst einen Rückblick auf den beruflichen Werdegang Rohdes, der 1990 in der Heimstätte am Grambker See im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme begann. Der ausgebildete Kaufmann und diplomierte Psychologe zeigte schnell seine Qualifikationen und sein Engagement und wurde bald therapeutischer Leiter der sozialpsychiatrischen Abteilung, daraufhin Gruppen- und schließlich Einrichtungsleiter der Einrichtung. Als er in die Geschäftsleitung berufen wurde, führte er mit dem Gründer des Sozialwerks, Heinz Bonkowski und dem Leiter der Verwaltung, Armin Hein, das Sozialwerk und hatte Anteil am starken Wachstum und der guten Wirtschaftlichkeit des Unternehmens. Rohde war maßgeblich am Bau und der Eröffnung des Seniorenzentrums am Oslebshauser Park beteiligt. Seit 2010 wurde er unter dem neuen Vorstand des Sozialwerks, Dr. Matthias Bonkowski, Leiter der Seelischen Gesundheit, Geschäftsführer der hundertprozentigen Tochterfirma ArBiS Bremen gGmbH (ArBiS steht für Arbeit, Bildung und Soziales) und Vorstand der Mentor-Stiftung.

Jörg Utschakowski vom Referat Pyschiatrie und Sucht, der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz, gab seiner Anerkennung für die Verdienste Jürgen Rohdes Ausdruck. Er sprach wertschätzend von dessen Engagement und gab ihm für den neuen Lebensabschnitt gute Wünsche mit auf den Weg.

Zahlreiche Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter aus dem Sozialwerk erzählten aus dem gemeinsamen Erleben und gaben dem scheidenden Kollegen und Chef gute Wünsche mit auf den weiteren Lebensweg.

Jürgen Rohde schilderte seinen Werdegang im Sozialwerk mit Höhen und Tiefen aus seiner Sicht. Er betonte, wie wichtig ihm das jährliche Pilgern in seiner Urlaubszeit war, wodurch er immer wieder Klarheit für anstehende Entscheidungen bekam. Auf einer seiner Wanderungen lernte er seine jetzige Lebensgefährtin kennen, mit der er auch schon seine nächste Pilgerreise plant.

Pastorin Andrea Hammer sprach anschließend einen Pilgersegen. Als kleines Geschenk für jeden Gast hatte Jürgen Rohde eine Jakobsmuschel mitgebracht. Auf die Innenseite der Muscheln hatte er jeweils einige Worte geschrieben, wie „Höre auf dich“ oder „Ja“.

Sängerin Daniela Wruck und Pianistin Marion Erdmann sorgen mit Stücken wie „I did it my way“ von Frank Sinatra und „Je ne regrette rien“ für eine allgemeine Wohlfühlatmosphäre.

Den sinnbildlichen Staffelstab übernimmt nun Nicole Nullmeyer. „Ich verdanke meine Förderung und Entwicklung dem umsichtigen Blick von Jürgen Rohde, dessen Anliegen es immer war, das Beste für unsere Klientinnen und Klienten zu suchen und Mitarbeitende bestmöglich zu fordern und zu fördern“, so die neue Leitung des Bereiches Seelische Gesundheit im Sozialwerk und Mitglied der Geschäftsleitung.

Im Kaminsaal in Gröpelingen fand die Abschiedsfeier für Jürgen Rohde statt.

Nicole Nullmeyer (li.) wird die Nachfolgerin von Jürgen Rohde.

Für jeden Gast hatte Jürgen Rohde eine Jakobsmuschel mit einer individuellen Botschaft mitgebracht.

Uwe Dubbels ArBiS Bremen

Maulwurf, Delphin und Krähe

Am 20. Mai 2022 wurde Uwe Dubbels in den Ruhestand verabschiedet. Der stellvertretende Geschäftsführer der ArBiS gGmbH war 20 Jahre im Sozialwerk und seiner Tochterfirma tätig. Die warmherzig gestaltete Abschiedsfeier trennte ein langes und facettenreiches Arbeitsleben von seinem neuen Lebensabschnitt als Rentner. Im liebevoll dekorierten Kaminsaal hatten sich nicht nur viele Gäste aus dem Sozialwerk und der ArBiS versammelt, sondern auch externe Gäste aus dem Jobcenter, mit denen Uwe Dubbels über viele Jahre vertrauensvoll zusammengearbeitet hat.

Auf der von Renée Petroschka moderierten Veranstaltung fanden Weggefährt*innen und Kolleg*innen die richtigen Worte, um ihren Chef und Kollegen gebührend zu verabschieden.

Jürgen Rohde berichtete von dem gewundenem Lebensweg des Kollegen, der ihn durch die Gastronomie, die Altenpflege, durch Studiengänge der Theologie und Pflegewissenschaft und durch einen Abstecher als Lehrer führte, um dann letztlich in der ArBiS tätig zu werden. Hier baute er ab 2005 mit dem früheren Geschäftsführer Helmut Oetjen u.a. den Bereich InJob auf. Helmut Oetjen beschrieb Uwe Dubbels in seiner Rede wegen seiner Beharrlichkeit als Maulwurf, wegen seiner spontanen Fröhlichkeit als Delphin und wegen seiner Dickköpfigkeit als Krähe. Frau Ploog vom Jobcenter würdigte seine Authentizität und den Umstand, dass Uwe Dubbels selten ohne Kekse zu ihren gemeinsamen Treffen erschien. Die aktuelle Geschäftsführerin der ArBiS, Nicole Nullmeyer, dankte ihm in einer persönlichen Rede für die Entwicklungschancen, die er ihr ermöglichte und für die intensive Zeit, die sie miteinander verbracht haben. Auch die leitenden Ergotherapeutin Natascha Priemel hob hervor, dass Uwe Dubbels ein besonderes Augenmerk auf die Förderung von Mitarbeitenden gelegt habe.

Uwe Dubbels, der der ArBiS als Berater mit ein paar Wochenstunden noch etwas erhalten bleibt, lobte das Sozialwerk und die ArBiS als Arbeitgeber und als Boden, auf dem auch er wachsen konnte.

Miriam Ehle bereicherte mit einem Musikstück und einem Segenslied das Programm. Nach den teils humorvollen, emotionalen und durchweg wertschätzend gestalteten Beiträgen, gab es die  Gelegenheit zum persönlichen Austausch beim leckeren Mittagsbuffet.

Mit persönlichen Geschenken von den ArBiS-Kolleg*innen, der Sozialwerks-Geschäftsleitung sowie aus den Werkstätten wurde Uwe Dubbels in seinen neuen Lebensabschnitt entlassen.

Dr. Matthias Bonkowski überreicht Uwe Dubbels ein Geschenk.

Dr. Matthias Bonkowski überreicht Uwe Dubbels ein Geschenk des Sozialwerks.

Natascha Priemel überreichte Uwe Dubbels ein Geschenk der ArBiS Bremen.

Natascha Priemel überreichte Uwe Dubbels ein Geschenk der ArBiS Bremen.

Nicole Nullmeyer, Geschäftsführerin der ArBiS Bremen

Nicole Nullmeyer, Geschäftsführerin der ArBiS Bremen

Helmut Oetjen, ehemaliger Geschäftsführer der ArBiS

Helmut Oetjen, ehemaliger Geschäftsführer der ArBiS

Jürgen Rohde, Bereichsleiter Seelische Gesundheit im Sozialwerk

Jürgen Rohde, Bereichsleiter Seelische Gesundheit im Sozialwerk

Mit einer Feier im Kaminsaal wurde Uwe Dubbels in den Ruhestand verabschiedet

Mit einer Feier im Kaminsaal wurde Uwe Dubbels in den Ruhestand verabschiedet

Heinz Bonkowski stellte Uwe Dubbels vor 20 Jahren ein.

Heinz Bonkowski stellte Uwe Dubbels vor 20 Jahren ein.

Natascha Priemel, Uwe Dubbels, Helmut Oetjen, Nicole Nullmeyer (v.l.)

Natascha Priemel, Uwe Dubbels, Helmut Oetjen, Nicole Nullmeyer (v.l.)

Uwe Dubbels im Gespräch mit Birgit Köpke (li.) und Natascha Priemel (Mitte)

Uwe Dubbels im Gespräch mit Birgit Köpke (li.) und Natascha Priemel (Mitte)

Nachhaltigkeit

Respektvoll
haus-wirtschaften

Die folgende Ansprache richtete die Leiterin der Hauswirtschaft des Sozialwerks zu Beginn der Gesamtleiterbesprechung am 8. März 2022 an ihre Kolleginnen und Kollegen. Viele von uns waren so bewegt von ihren Worten, dass der Text hier für alle veröffentlicht werden soll.

 

Guten Morgen. Heute hier die Andacht zu halten, hat mir schon etwas Kopfzerbrechen bereitet. Die Schwierigkeit ist ja: Worüber soll ich sprechen? Viele Gedanken gingen mir durch den Kopf, aber ich merkte: Es muss von Herzen kommen. Das machte die Auswahl nicht viel leichter, aber dann kam mir die Idee: Ich rede einfach über meine Lieblingssthemen: Hauswirtschaft und Nachhaltigkeit.

In unserer Hauswirtschaft im Sozialwerk und in der Hauswirtschaft allgemein nimmt die Nachhaltigkeit einen immer größeren Stellenwert ein. Ökonomie, Ökologie und soziale Werte bestimmen mehr und mehr unser Handeln. Wir setzen Ressourcen verantwortungsbewusst ein, nutzen Dosiersysteme für unser Reinigungsmittel, arbeiten mit Mikrofasertüchern aus Plastikflaschen, versuchen weitgehend auf Einweggeschirr zu verzichten und setzen Trinkwasserspender ein, um Plastik zu sparen und die Arbeit der Mitarbeitenden zu erleichtern. Doch es gib noch viel zu tun.

Nur wenige Generationen hat es gebraucht, um mit un­serem Energiekonsum das Klima und damit das Gleichgewicht unseres Ökosystems massiv und bedrohlich zu verändern. Denn der Klimawandel kommt nicht. Er ist da. Er ist in vollem Gange und immer stärker spür­bar. Wir bewegen uns auf eine drei Grad wärmere Welt zu. Die Folgen sind immens und sie sind schon heute deutlich: Die Gletscher schmelzen in rasan­tem Tempo, der Meeresspiegel steigt, Wetterex­treme wie Hitzeperioden, Hochwasser, Stürme oder Star­kregen nehmen zu – mit katastrophalen Folgen für Menschen, Tiere und Pflanzen.

Noch tun wir so, als könn­ten wir über die Natur herrschen und sie bis zum letzten Teil ausbeuten und vermarkten. Unsere Wirtschafts- und Lebensweise baut auf stän­digem Wachstum auf, das uns scheinbar kaum eine andere Wahl lässt, als alles aus dem Boden, den Tieren, den Pflanzen herauszuholen. Da wird so lange Gift gespritzt, bis Insekten und Bienen aussterben; da werden Tiere, die wir nicht brau­chen, wie Müll geschreddert; da wird der Ozean mit Plastikmüll zugeschüttet, bis die Fische darin verenden; da wird so viel CO2 in die Luft geblasen, bis das Klima sich so aufheizt, dass es auch das menschliche Leben mehr und mehr gefährdet.

Es wird höchste Zeit, dass wir umdenken und uns nicht mehr länger als Herrscher über die Natur ver­stehen, sondern als Teil der Natur, der auf sie ange­wiesen ist. Es wird höchste Zeit, dass wir nicht von oben auf die Mitgeschöpfe herabsehen, sondern dass wir sie auf Au­genhöhe mit Respekt und Achtung betrachten. Ich denke, dass die besondere Aufgabe von uns als Christen darin besteht, zu einer anderen Haltung aufzurufen und diese auch selbst vorzuleben. Eine Haltung, die nicht mehr den Menschen als Mittelpunkt des Universums sieht, um den sich al­les dreht. Sondern eine Haltung, die von Dankbar­keit und Ehrfurcht gegenüber Gott und von Ach­tung gegenüber der Mitschöpfung geprägt ist. Gott hat diese wunderbare Erde geschaffen. Sie gehört ihm, nicht uns. Er hat sie als Lebensraum für viele Geschöpfe geschaffen, nicht für uns Men­schen allein.

Den Auftrag Gottes, die Erde zu bebauen und zu bewahren, haben wir Menschen in nahezu selbst­zerstörerischer Weise missbraucht. Diese Haltung verändert auch den Blick auf die Schöpfung. Die Erde, die Luft, das Wasser, die Tiere und Pflanzen sind Geschöpfe, die uns tra­gen und ernähren. Wir sollten ihnen dankbar sein, dass sie das bisher so zuverlässig für uns getan ha­ben, sie als Mitgeschöpfe achten und wertschät­zen. Diese Haltung, die nicht länger den Mensch als Mit­telpunkt der Schöpfung sieht, verändert auch die Sicht auf manche biblischen Texte.

Wenn wir uns zum Beispiel die Schöpfungsge­schichte im 1. Buch Mose 1 genau anschauen, dann wird dort deutlich: Der Mensch ist ganz besonders ab­hängig von den anderen Geschöpfen. Dass der Mensch als Letztes geschaffen wurde, wurde Jahr­hunderte lang so gedeutet, dass er eben die Krone der Schöpfung sei, für den alles andere geschaffen wurde. Von der Krone der Schöpfung steht aber nichts in der Schöpfungsgeschichte. Dass er als Letztes geschaffen wurde, zeigt vielmehr, wie sehr er von den anderen Geschöpfen abhängig ist, von der Erde, die ihn ernährt, von den Pflanzen und Tieren, von Luft und Wasser. Nicht der Mensch ist die Krone der Schöpfung, sondern der Sabbat. Am siebten Tag vollendete Gott seine Schöpfung – so heißt es in 1. Mose 2,1. Erst durch den Sabbat wird die Schöpfung vollendet.

Ich denke, dass damit nicht nur etwas über die Schöpfung am Anfang gesagt wird, sondern auch über die Schöpfung Gottes in der Gegenwart und der Zukunft. Mit dem Sabbat als der Vollendung der Schöpfung wird etwas über die Zukunft gesagt. Als Christen hoffen wir darauf, dass Gott uns von unseren Schuldverstrickungen befreien und uns neue Anfänge schenken kann. Mehr noch, wir glauben an die Verheißung eines neuen Himmels und einer neuen Erde. „Siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen“ – so heißt es zum Beispiel im Buch Jesaja in der Bibel.

Dieser neue Himmel und die neue Erde, die angekündigt werden, sind also nicht nur etwas Zukünftiges, sondern auch schon etwas Gegenwärtiges. Sie beginnen mit dem Wirken Jesu, mit seinem Tod und seiner Auferstehung. Die neue Erde und der neue Himmel entstehen dort, wo Gott gegenwärtig ist, wo das Leben geachtet und geschützt wird, wo Liebe und Achtsamkeit größer sind als Gleichgültigkeit und Hass. Und diese Neuschöpfung umfasst die ganze Schöp­fung, nicht nur den Menschen. Im Römerbrief le­sen wir, dass auch die Schöpfung sich nach Erlö­sung sehnt. Der Mensch wird also nicht von der Erde erlöst, sondern mit ihr zusammen.

Der Auftrag an den Menschen, Gottes Schöpfung zu bebauen und zu bewahren, besteht nach wie vor, so lange wir leben. Jeder Einzelne kann etwas dazu beitragen. Gemeinsam können wir das Gesicht der Welt verändern. Öko-fairer Einkauf und Klimaschutz dürfen nicht Themen von Randgruppen bleiben, sondern müssen zu ge­samtgesellschaftlichen Anliegen werden. Wir brau­chen ein Um­denken, um unser Verhalten zu ändern. Das ist anstren­gend und bedeutet eine Veränderung unseres per­sönlichen Lebens. Aber es ist notwendig, denn es muss sich etwas ändern. Deshalb müssen wir uns aufmachen: Produkte fin­den, die nicht in Plastik verpackt sind, zum Markt gehen, um Produkte aus der Region zu kaufen, nachfragen und hinschauen, um auf ökologische Landwirtschaft zu achten. Fair bezahlte und gehandelte Lebensmittel sind ein wichtiger Baustein nachhaltiger Ernährung.

Etwa 20 Prozent des CO2-Ausstoßes hängen an der Ernährung. Unsere täglichen Verzehrgewohnheiten können also einiges bewirken. Nötig ist aber auch eine verän­derte und nachhaltige Mobilität. Nötig sind gut ge­dämmte Gebäude, die den Energieverbrauch re­duzieren. Für die Zukunft der Erde. Für unsere Kinder und Enkelkinder. Für die Menschen in den anderen Teilen der Erde. Und für die ganze Schöpfung.

„Mein Interesse gilt der Zukunft, weil ich den Rest meines Lebens darin verbringen werde.“

Birgit Köpke

Foto: Greg Rakozy von Unsplash

Adventsüberraschung

Auch in diesem Jahr konnten die Mieterinnen und Mieterder Seniorenwohnanlage, die Kinder und Jugendlichen der beiden Kinderhäuser am Grambker See sowie die Bewohnerinnen und Bewohner der Einrichtung „Haus Noah“ wieder eine Adventsüberraschung der besonderen Art erleben. Der Posaunenchor der Kirchengemeinde Grambke erfreute Klein und Groß mit vorweihnachtlicher Blasmusik vor dem Bauernhaus und vor „Haus Noah“. Altbekannte Weihnachtslieder luden zum Mitsingen ein – vor Ort oder am Fenster oder auf dem Balkon der eigenen Wohnung.

Auch nach dem Sonntagsgottesdienst am 3. Advent machte sich der Bläserchor auf den Weg zu den Bewohnern der Heimstätte am Grambker See, um auch dort mit ihren kräftigen Posaunen Weihnachtsvorfreude zu bringen. Das war eine willkommene Abwechslung und wurde entsprechend freudig von den Bewohnerinnen und Bewohnern aufgenommen. Ausgestattet mit einem heißen Punsch lauschten sie an den Fenstern der weihnachtlichen Musik und sangen mit. Für den außerordentlichen Einsatz der Bläser sagen wir ein herzliches Dankeschön und ein „Vergelts-Gott“.

Das Seelsorge-Team des Sozialwerks

Weißt Bescheid!

Unter diesem saloppen Motto fand am 9. September eine Tour durch die Nordbremer Psychiatrie- und Suchthilfelandschaft statt. Eingeladen hatte der Gemeindepsychiatrische Verbund Bremen Nord (GPV Nord), ein Zusammenschluss aus elf Organisationen, die im Norden Bremens vielfältige psychiatrische und suchtbezogene Hilfen anbieten. Betroffene und Vertreter*innen von Trägern, die (noch) nicht dem Verbund angehören, waren eingeladen. Erklärtes Ziel der Veranstaltung war die Vernetzung und das gegenseitige Kennenlernen.

Auch an Vertreter*innen aus der Politik war die Anfrage verschickt worden, an der Tour teilzunehmen. Im Vorfeld der Veranstaltung wurden fünf sogenannte „Wahlprüfsteine“ an sie verschickt, zu denen sie vor Ort oder schriftlich Stellung beziehen konnten.

Dem GPV Nord gehören elf Institutionen an, die im Bremer Norden in der Unterstützung und Hilfe für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen oder/und Suchterkrankungen tätig sind. Diese haben sich im Januar 2021 zum Gemeindepsychiatrischen Verbund Bremen-Nord (GPV Nord) zusammengeschlossen. Damit setzten sie einen politischen Beschluss der Bremer Bürgerschaft um.

Los ging es um die Mittagszeit in der Tagesstätte Nord. Etwa 45 Gäste wurden in der offenen Einrichtung der ArBiS Bremen mit einem überreichen Angebot aus hausgemachtem Fingerfood, Getränken und köstlichen Snacks empfangen. Bei diesen leckeren Naschereien kam man ins Gespräch und knüpfte erste Kontakte. Nicole Nullmeyer, Geschäftsführerin der ArBiS Bremen und Uwe Schale, Klinikpflegeleitung des psychiatrischen Behandlungszentrums Bremen Nord, hießen die Gäste als Geschäftsführung des GPV Nord willkommen.  Anschließend stellte Peter Toboll, Leiter der Tagesstätte, das offene Angebot für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen vor.

Der erste, vom GPV Nord erarbeitete Wahlprüfstein wurde von Janina Tessloff, Geschäftsführerin der Therapiehilfe Bremen, vorgetragen und die drei anwesenden Vertreterinnen aus der Politik, Bürgerschaftsabgeordnete Ute Reimers-Bruns für die SPD, Bürgerschaftsabgeordnete Sigrid Grönert für die CDU und Bundestagskandidatin Charlotte Schmitz für die LINKE nahmen dazu Stellung. Eine im Vorfeld zugesandte Position der FDP wurde verlesen. Die anderen vier Wahlprüfsteine wurden im Laufe des Nachmittags an verschiedenen Stopps vorgetragen und die politischen Vertreterinnen bekamen die Gelegenheit, die Position ihrer Partei zu dem betreffenden Thema zu äußern.

Nach ausreichender Stärkung, startete die Tour zu Fuß entlang der Projektwerkstatt der ArBiS Bremen, dem Betreuten Wohnen des Sozialwerks und mit einer kurzen Vorstellung des Szenetreffs vom Verein für Innere Mission und dem Hinweis auf die Ambulante Suchthilfe. Dann ging es zum Psychiatrischen Behandlungszentrum, wo Klinikdirektor Dr. Martin Bührig u.a. das Konzept der Ambulantisierung im Behandlungszentrum erläuterte.

Weiter ging es zu Fuß zur besonderen Wohnform für psychisch beeinträchtigte Menschen des Sozialwerks und von dort aus zum Aumunder Marktplatz, wo bereits ein Reisebus wartete. Die Bustour bot reichlich Gelegenheiten, sich gegenseitig von den eigenen Angeboten zu erzählen, Kontaktdaten auszutauschen, sich zu informieren, Einladungen auszusprechen und Ideen zu schmieden. Die Tour passierte das Intensiv Betreuten Wohnen der AWO Akazienhof, das ISZR Büro, das Büro der GAPSY, das Betreuten Wohnen des Therapiehilfe e.V., die Werkstatt Bremen und die Aids-Hilfe Regenbogen. Schließlich gelangte die Reisegruppe zum Haus Blumenthal der AWO Integra. Hier gab es im Garten einen Imbiss und die Gelegenheit, sich die Beschäftigungs-Angebote im Haus anzuschauen. Beim Imbiss im Garten wurde erneut die Gelegenheit zu Gesprächen genutzt.

Letzter Stopp der Reise war das Berufsbildungszentrum der Friedehorst Teilhabe Arbeit, bevor der Reisebus die Teilnehmer*innen zurück zum Aumunder Marktplatz brachte.

Voller neuer Eindrücke, ein wenig erschöpft, aber sehr erfüllt und zufrieden erreichte die Gruppe am frühen Abend den Aumunder Marktplatz. Die Veranstalter erhielten viele positive, ja begeisterte Rückmeldungen für die ausgezeichnete Organisation, die informative Tour und die als sehr wichtig empfundene Gelegenheit zur Vernetzung. „Denn gemeinsam sind wir mehr“, so war auf der Einladungskarte zu lesen.

 

In der Tagesstätte Nord startete die GPV Nord Tour, führte erst zu Fuß und dann mit dem Bus zu den Einrichtungen der Mitgliedsorganisationen.

Jede Stimme zählt

Natürlich wird auch in unseren stationären Senioren-Einrichtungen und in den Einrichtungen der Seelischen Gesundheit gewählt. Die Betreuenden und die im Sozialdienst tätigen Mitarbeitenden ermutigen und unterstützen ihre Bewohnerinnen und Bewohner dabei, ihr Wahlrecht wahrzunehmen.

So wurden z.B. im Seniorenzentrum am Oslebshauser Park die Angehörigen und Rechtsbetreuenden daran erinnert, für ihre Seniorinnen und Senioren Briefwahlunterlagen anzufordern oder sie ins Wahllokal zu begleiten. In der gerontopsychiatrischen Einrichtung in Gröpelingen unterstützen die Mitarbeitenden die ihnen anvertrauten Menschen im Beantragen der Briefwahl, um ihnen so auch die Teilhabe am politischen Leben zu ermöglichen.

Einige Einrichtungen des Sozialwerks sind schon seit Jahren oder in diesem Jahr zum ersten Mal zu Wahllokalen ernannt worden. So gehen in Oslebshausen schon seit vielen Jahren Bürgerinnen und Bürger zum Wählen in die Tagespflege am Oslebshauser Park.

Dr. Matthias Bonkowski, Vorstand des Sozialwerks freut sich, dass das Bauernhaus in Grambke bei dieser Wahl erstmals als Wahllokal fungieren darf. „Ich freue mich darüber, dass wir den Menschen in unserem Stadtteil einen Ort für ihre Stimmabgabe geben können und sie so darin unterstützen können, aktiv am politischen Geschehen mitzuwirken“, so der Vorstand des Sozialwerks, der hier im Ellerbuschort 12 auch sein Büro hat.

Danke für das Foto an Mika Baumeister von Unsplash

Erfahrungsexperten

Auf dem weitläufigen, parkähnlichen Gelände des Klinikums Bremen-Ost finden sich am Nachmittag des. 7. Juli etwa zehn junge Fachärzte im Konferenzraum des Zentrums für psychosoziale Medizin ein. Es ist die erste Fortbildungsveranstaltung in Präsenz seit langer Zeit. Dementsprechend zurückhaltend und unsicher erscheinen alle Anwesenden. Der Impf- bzw. Test-Status wird abgefragt, die Kontaktdaten eingetragen, die Hygiene- und Abstandsregeln genauestens eingehalten.

Als alle ihren Platz gefunden haben, verteilen Beate Rettig und ihr Team Gebäck aus der ArBiS-Bäckerei an die jungen Ärzte, denen der hinter ihnen liegende Arbeitstag an diesem heißen Sommertag deutlich anzumerken ist.

Dann beginnt Oberarzt Dr. Dominik Dabbert seinen Vortrag über die Langzeitfolgen von Suchterkrankungen. Schwerpunktmäßig geht es um das Korsakow-Syndrom. Dieses nach dem russischen Psychiater und Neurologen Sergei Korsakow (1854–1900) benannte Krankheitsbild beschreibt einen hirnorganischen Abbau, das Betroffene fortschreitend lebensuntüchtig werden lässt. Das Korsakow-Syndrom ist eine Erkrankung des Gehirns, welche die Gedächtnisleistung stark vermindert: Betroffene wirken auf Außenstehende meist konfus und desorientiert und füllen auftretende Gedächtnislücken mit frei erfundenen Geschichten (Konfabulieren). Er betont, wie wichtig die richtige Diagnose in der Notaufnahme für das weitere Leben der betroffenen Personen ist und auch die Notwendigkeit, den fast immer bestehenden Vitamin B1-Mangel bei alkoholabhängigen Menschen zu beheben. Die langjährige gute Zusammenarbeit mit dem Sozialwerk hat so manch einem Betroffenen die Chance auf eine Rückkehr in ein abstinentes, menschenwürdiges Leben eröffnet. So gibt Dr. Dabbert seiner Wertschätzung Beate Rettig und dem Sozialwerk gegenüber Ausdruck.

Dann ist Beate Rettig mit ihrem Vortrag an der Reihe. Sie berichtet aus der Praxis. In den beiden Einrichtungen des Sozialwerks für chronisch mehrfach abhängigkeitserkrankte Menschen leben Alkohol- und mehrfach abhängige erwachsene Menschen und üben dort Leben neu ein. Die einfachsten alltäglichen Verrichtungen, gesunde regelmäßige Mahlzeiten und die Selbstfürsorge werden bei abstinenter Lebensweise erneut trainiert. Tagesstruktur innerhalb der Einrichtung, aber auch Beschäftigung in einer der Werkstätten der Tochtergesellschaft ArBiS Bremen helfen bei der Alltagsbewältigung.

Herr Schmidt (Name geändert), Bewohner der Einrichtung Haus Noah in Burg-Grambke, betritt den Raum und wird von Beate Rettig interviewt. Bereitwillig gibt er Auskunft: über seine Suchterkrankung, wie er mit der Gefahr des Rückfällig-Werdens umgeht, was ihm hilft und wie er sich mit Merkhilfen und selbstgebauten Hilfsmitteln in seinem neuen, abstinenten Leben zurechtfindet. Herr Schmidt geht bewusst mit seinen Einschränkungen um und ist so in der Lage, Techniken zu erlernen, die ihm helfen, im Alltag trotz seiner Einschränkungen zurechtzukommen.

Anschließend gibt es die Möglichkeit für die jungen Ärztinnen und Ärzte, Fragen an Herrn Schmidt zu stellen. Schnell wird klar: Er ist der eigentliche Experte in der Runde, denn er weiß durch Erfahrung, wie sich Sucht anfühlt und wie sie das Leben einschränkt und zerstört. Er hat einen Weg aus der Sucht heraus gefunden und gelernt, mit der lebenslang andauernden Anfälligkeit und den Einschränkungen umzugehen, die der jahrelange Alkoholmissbrauch mit sich gebracht hat.

Gute Ausbildung

Schon beim Vorstellunggespräch war schnell klar, dass dies der richtige Platz für sie war. „Da war so viel Farbe, so viel Herzliches“, erinnert sich die 21-jährige Auszubildende, die nun kurz vor ihrem Abschluss steht. Dann ging alles ganz schnell. Die damals 19-Jährige bekam eine Wohnung auf dem Sozialwerksgelände und begann ihre Schreinerausbildung in der Werkstatt für psychisch beeinträchtigte Menschen.

Freya Malle kommt aus Butjardingen. Nach ihrem Abitur wollte sie gern etwas Handwerkliches machen. Sie hatte schon immer viel Zeit mit ihrem Vater in dessen Werkstatt verbracht. Dieser hatte in seiner Freizeit immer an einem Projekt gebaut.

Auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz stieß Freya auf das Sozialwerk.  „Die Menschen haben so interessante Geschichten, ich konnte viel von ihnen lernen“, ist Freyas Eindruck im Rückblick auf ihre Ausbildung.

Soziale Kompetenzen brachte Freya schon mit, doch wurden diese hier noch weiter geschult. Nico Kusserow ist Tischler-Meister und Ausbilder der jungen Frau. Er findet nur lobende Worte über sie und ihren Werdegang: „Freya hat sich sehr gut in die Werkstatt eingefügt. Sie hat gute Beziehungen zu ihren Kolleginnen und Kollegen und ist mit ihnen auf Augenhöhe.“ Doch nicht nur von ihren sozialen Kompetenzen ist der erfahrene Ausbilder überzeugt. „Wir lassen Freya ungern gehen. Sie ist eine große Hilfe und Unterstützung im Arbeitsalltag. Freya ist selbstständig und es hat wirklich Spaß gemacht mit ihr zu arbeiten.“

Durch die besonderen Gegebenheiten in der ArBiS-Holzwerkstatt, hatte Freya viel Zeit zum Üben und reichlich Gelegenheiten, Dinge auszuprobieren. „Nico hat mir viel zugetraut. Dadurch habe ich auch schnell und viel gelernt“, betont Freya Malle. Auszubildenden Freiheit zum Ausprobieren und Fehlermachen zu geben, ist Nico Kußerow wichtig.

Da in der Holzwerkstatt der ArBiS Bremen keine Türen und Fenster angefertigt werden, dies aber zu den Ausbildungsinhalten gehört, hat Freya einen Teil ihrer Ausbildung bei einem Kooperationspartner absolviert. Dort hat sie so große Anerkennung für ihre Arbeit und ihre persönliche Art bekommen, dass sie gleich im Anschluss an ihre Ausbildung dort arbeiten und weitere praktische Erfahrungen sammeln kann.

Der Beruf des Tischlers oder Schreiners war lange ein männerdominierter Beruf. Nur drei von 20 Ausbildungskolleg*innen ihrer Klasse sind Frauen. Inzwischen gibt es ein jährlich stattfindendes Tischlerinnentreffen, das an einem Wochenende stattfindet und dem Austausch der Frauen in diesem Berufsbild dient. Freya ist schon ein bisschen stolz, sich hier beweisen zu können und die Anerkennung ihrer männlichen Kollegen zu haben. In ihrer Ausbildung hat sie als Frau nur gute Erfahrungen gemacht. „Es gab keine Respektlosigkeiten und ich wurde gut behandelt. Ich glaube, da ändert sich gerade auch was in der Gesellschaft“, so die Auszubildende.

Nun stehen die Abschlussprüfungen an. Nach der theoretischen Prüfung, in der es um einen konstruierten Kundenauftrag inklusive Planung, Kalkulation und Ausführung geht, wird ein Gesellenstück gefertigt. Dafür gibt es einen vorgegebenen Zeitraum von 100 Stunden, innerhalb derer ein Möbelstück nach bestimmten Vorgaben gefertigt werden muss. So spielt das Aussehen des Gesellenstückes eine Rolle und es muss ein bewegliches Teil wie z.B. eine Tür oder eine Schublade geben. Hier kann der Betrieb beratend zur Seite stehen. Die Gesellenstücke werden anschließend in der Handwerkskammer ausgestellt und können öffentlich besichtigt werden.

Die traditionelle Freisprechung, die die offizielle Anerkennung als Gesellin darstellt, fiel in diesem Jahr corona-bedingt aus. Am 1. Juli konnte Frey jedoch ihr Abschlusszeugnis abholen. Ihr Ausbilder und ihre Arbeitskolleginnen und -kollegen freuten sich mit ihr und überreichten ihr anlässlich ihrer abgeschlossenen Ausbildung eine Baumscheibe mit eingebrannten Glückwünschen.

Das Gesellenstück

Der Gesellenbrief

Ausbilder Nicolai Kußerow (re.), Arbeitskollege Fabian Wrieden (2. v. re.), Michael Koch (Mitte) und Ergo-Thearpeutin Anita Meyn (2. v. li.) freuen sich mit Freya Malle (li.) über den erfolgreichen Abschluss ihrer Ausbildung.