Der Corona-Wald
Im August 2020, als Frau Tatjana Kümmel und ich uns entschieden, ihre Fotographien im Rahmen unserer seit 2011 laufenden Aktion: „Kunst im Treppenhaus“ auszustellen, stand aufgrund der Coronaverordnungen fest, dass nur wenige Gäste von außen die wunderbaren Naturmotive sich dann auch anschauen können. Trotzdem sagte Frau Kümmel zu. Und das war gut so. Seit März 2020 überschwemmte Covid-19 unsere Welt und besonders hart traf es eben die älteren Menschen besonders in Pflegeheimen. Zu Ihrem Schutz wurden immer strengere Auflagen nötig und es wurde immer einsamer in unseren Fluren und den Herzen.
Das war ein Geschenk, dass wir nun die Natur – wenn man schon nicht raus kann – sich sprichwörtlich ins Haus holte. Dank der zum Teil sehr großformatigen Fotografien von Frau Kümmel war genau das möglich. Ihre Fotomotive sind in erster Linie „Bäume!“ Und so wähnte man sich im Eingangsbereich sowie Trepp auf, Trepp ab bald wie in einem Wald. Fehlte nur noch das Vogelgezwitscher.
Die Bilder wirken sehr beruhigend, zumal die Künstlerin ganz bestimmte Baummotive vor Augen hat. Alte, knorrige Exemplare mit ausladendem Blätterdach, aber auch eine ganze Familie an Birken sowie solche, die scheinbar ein Geheimnis hüten. Denn Frau Kümmel vermag in Bäumen mehr zu sehen als Rinde, Holzfaser und Blätterwerk. Sie sieht in Ihnen inmitten unserer hochtechnisierten Welt Gestalten aus uralter Zeit: Gnome, heilige Frauen, im Holz verewigte Tiere, Waldschrate, aber auch Stimmungen wie Freude, Tanz und stummer Liedgesang.
Das Tolle ist, dass sie allen Bildern Namen gibt und so konnte man immer wieder beobachten, wie Bewohner stehen blieben und nach dem „Baum küssenden Hasen“ suchten…und ihn auch freudestrahlend fanden. Eine hilfreiche Methode für unsere älteren Bewohner genau hinzusehen, zu tüfteln und zu suchen und schließlich mit Freude zu entdecken.
Die Fotografien von Frau Tatjana Kümmel sind mehr als nur Naturaufnahmen in sehr guter Qualität. Sie sind mehr als Naturstimmungserzeuger. Sie lassen erahnen, was unsere „Ahnen“ einst in der Natur sahen und ließen uns hier in der Heimstätte Oslebshausen wissen, wie sehr die Schöpfung uns trösten und helfen kann. Und wie die Schöpfung wie ein Spiegel unserer eigenen Geschichte Dinge „modelliert“. Gewiss, dazu braucht es etwas Fantasie. Mit der Künstlerin dieser Ausstellung ging es aber erstaunlich leicht.
Wir danken Frau Tatjana Kümmel von ganzem Herzen für ihr Entgegenkommen, ihre wunderschönen Werke und für fast ein ganzes Jahr, wo die Bilder unser Haus „renaturiert“ haben. Wir haben einen Teil ihrer Bilder erstanden und diese werden auch in den kommenden Jahren in unserem Eingangsbereich weiter Ihre gute Stimmung verbreiten.
Michael Strauch
Einrichtungsleitung der
Heimstätte am Oslebshauser Park, Bremen
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